Georgien

„Georgien ist ein wunderschönes Land mit einer ausgeprägten Gastfreundschaft. Es ist die Heimat der Kartwelen (was man auch immer unter Kartwelen versteht) und auch vieler anderer Ethnien. In dieser kulturellen Vielfalt leben die Menschen alles in allem friedlich zusammen.
Georgien bedeutet für mich mehr als einfach Zuhause, nämlich der Ort, wo ich geboren und aufgewachsen bin und wo ich mein Jungendjahre verbracht habe; wo ich auch jetzt gern leben und arbeiten würde.
Die Zustände in Georgien sind zur Zeit chaotisch, was mich manchmal traurig und nachdenklich macht.
Wenn ich an Georgien denke, bekomme ich Mitleid mit den Menschen, denen oft nicht bewusst ist, unter welch schlechten Bedingungen sie leben. Und diejenigen, die sich darüber Gedanken machen, haben normalerweise keine Möglichkeit, etwas an den Umständen zu ändern.
An Georgien mag ich nicht, dass es – unter dem Deckmantel der Tischkultur – grosse Probleme mit übermässigem Alkoholkonsum gibt und sich niemand dieses Problems annehmen will. Auch Korruption ist leider allgegenwärtig. Vielen georgischen Politikern würde ein Bildungsaufenthalt in einem demokratisch weiter entwickelten Land gut tun.“
– Ein Georgier aus Tbilisi, der in der Schweiz lebt

Georgien, das ist ein kleines, landschaftlich wunderschönes Land am Kaukasus. Es hat 3.7 Millionen Einwohner, davon leben etwa 1.5 Millionen in der Hauptstadt Tbilisi (auf Deutsch Tiflis). Es grenzt an die Türkei, Armenien, Aserbaidschan und Russland. Besonders schön sind die verschiedenen Landschaften und Klimazonen: von der subtropischen Schwarzmeerküste, wo Tee, Zitronen und Mandarinen gedeihen, über die gemässigt-kontinentalen Regionen, wo Wein und Mandeln kultiviert werden, bis zu den hohen Bergen des Kaukasus findet man unzählige Mikroklimata. Touristen wandern in den Nationalpärken, sonnen sich an der Meeresküste oder baden in den heissen Quellen. Die klimatische Vielfalt spiegelt sich auch im Haupterwerb der Georgier wieder: der Landwirtschaft. Sehr viele Menschen kultivieren Früchte und Gemüse im eigenen Garten oder besitzen einige Tiere wie Kühe, Schweine oder Hühner.

„Georgien ist für mich Tbilissi – eine ausgesprochen liebenswerte Stadt am Hang mit Balkonen zum Fluss, mit Schwefelquellen, den leckersten Khatchapuri und Khinkali, und einem sowjetischen Riesenrad.“ Anne, 30, Historikerin

Georgien ist ein wasserreiches Land mit unzähligen Flüssen. Dadurch gibt es auch viele Wasserkraftwerke, die den Hauptteil des Stromes liefern. In Jvari beispielsweise, wo viele unserer Projekte stattfinden, befindet sich eines der grössten Wasserkraftwerke, der Enguri-Staudamm. Er ist der Hauptarbeitgeber in der Region und beschäftigt zahlreiche Ingenieure und Spezialisten. Ans Ausland liefert Georgien neben Strom auch Mangan, Kupfer und Eisenlegierungen; aber auch Mineralwasser (z.B. Nabeghlavi) und landwirtschaftliche Produkte wie Haselnüsse (zum Beispiel an Ferrero, den Hersteller von Nutella), Mandeln, Kiwi (z.B. an Lidl), Pfirsiche, Zitronen, Mandarinen und Wein.

In jüngster Zeit machten viele georgische Filmemacher und MusikerInnen international auf sich aufmerksam: die Violonistin Lisa Batiashvili, die Pianistin Khatia Buniatishvili, der Komponist Gia Kancheli, der Regisseur George Ovashvili. Auch viele georgische SportlerInnen sind international bekannt, etwa die Schachspielerin Nino Khurtsidze oder der NBA-Basketballer Zaza Pachulia.

„Georgien bedeutet für mich eine einzigartige Kultur, eine einzigartige Tradition, eine einzigartige Folklore, Architektur, Landschaft, Küche und vor allem- gastfreundliche und gewöhnliche Menschen mit einem gewöhnlichen, nicht sehr glücklichen, aber hoffnungsvollen Leben.“ Mariam, 20, Studentin der Nordistik

Im Ausland leben und arbeiten zahlreiche GeorgierInnen. Viele gehen als Arbeitsmigranten temporär nach Russland oder in die Türkei, beispielsweise für Saisonstellen auf dem Bau oder in einem Haushalt. Auch in der EU oder den USA leben viele GeorgierInnen. Sie schicken regelmässig Geld nach Hause, was eine wichtige Einkommensquelle für das Land ist. Politisch orientiert sich das Land vor allem am Westen, etwa an der EU oder den USA. 2014 hat Georgien mit der EU ein Assozieerungsabkommen unterzeichnet, zudem hat sich das Land um eine NATO-Mitgliedschaft beworben. Georgien pflegt aber auch gute Beziehungen zu vielen weiteren Ländern, etwa zu Aserbaidschan, Russland, der Türkei oder Kasachstan.

„Wenn ich in Georgien bin, stecke ich meine Nase fast überall rein. Es ist ein Land der „Philosophen“- sie plaudern möglichst klug und lieben Gäste aus dem Ausland, die gerne mitmachen, wenn Georgier bei Banketten feiern und sich wie Schweine vergnügen können.“ – Giorgi, 28, Künstler

Zur Geschichte Georgiens gäbe es sehr viel zu sagen: Die Region wird manchmal als „Wiege der Menschheit“ bezeichnet, wurden auf dem Gebiet des heutigen Georgiens doch Überreste von menschlichen Stätten gefunden, die mehr als zwei Millionen Jahre alt sind. Wir erwähnen hier nur einige Anhaltspunkte aus der Geschichte: Das im 6. Jh. v. Chr. entstandene Kolchis, auch Kartlien genannt, taucht beispielsweise in der griechischen Argonautensagen auf, in der Jason das Goldene Vlies aus der Kolchis raubt. 337 n. Chr. konvertierte der georgische König Mirian III. zum Christentum, worauf das Land als eines der ersten das Christentum zur offiziellen Religion erhob. Dadurch finden sich im ganzen Land uralte Kirchen und Klöster, die von Forschenden aus der ganzen Welt besucht werden. In den folgenden Jahrhunderten wurden Teile Georgiens immer wieder erobert, von Persern, Arabern oder türkischen Seldschuken. Unter König David IV. im 12. Jh. konnten die verschiedenen georgischen Fürstentümer in einem Königreich vereint und die türkischen Seldschuken vertrieben werden. Im 13. Jh. wurden Teile Georgiens von den Mongolen überfallen, Georgien musste Abgaben und Tribute an das Mongolische Reich leisten. Im 15. Jahrhundert zerfiel das Land wieder in kleine Fürstentümer. Im 16. Jahrhundert wurden die georgischen Gebiete nach und nach dem Persischen und dem Osmanischen Reich unterworfen. Georgien ersuchte die russischen Fürsten um Unterstützung – Russland war der einzige christliche Verdündete in der Region, aber lange Zeit zu schwach, um im Südaukasus Unterstützung gegen die Perser und Osmanen zu leisten. Erst nach und nach konnte Russland die Osmanen und Perser zurückdrängen. Aus Furcht vor einer erneuten Invasion der Perser bat der georgische König Giorgi XII. im Jahr 1800 um Eingliederung ins Russiche Reich, aber unter der Bedingung, dem georgischen Königshaus die Krone zu lassen. 1801 annektierte Zar Paul I. Georgien und zwang den König zur Unterwerfung. Erst 1917, im Zuge der Russichen Revolutionen, zerfiel auch in Georgien die Herrschaft des Zars. Am 26. Mai 1918 erklärte sich das Land zur Demokratischen Republik Georgiens. Die Unabhängigkeit war nur von kurzer Dauer: Bereits 1921 marschierte die Rote Armee ein und rief die Georgische Sozialistische Sowjetrepublik aus. Georgien gehörte von 1921-1991 zur Sowjetunion. Der Diktator Josef Stalin, der für die Vertreibung und Ermordung von Millionen Menschen verantwortlich ist, war aus Georgien. In der Sowjetzeit war Georgien vor allem als Tourismusparadies und als Lieferant für Tee, Wein, Zitrusfrüchte und Mangan bekannt, aber auch wegen seinen Kinofilmen, etwa von den RegisseurInnen Nana Dshordshadse, Otar Ioseliani, Tengis Abuladse und Nikolos Shengelaia. Im Zuge der Auflösung der Sowjetunion erklärte sich Georgien 1991 zur unabhängigen Republik, Sviad Gamsakhurdia wurde zum ersten Präsidenten gewählt. In den darauffolgenden Jahren hatte Georgien mit politischen Unruhen, dem Zerfall der Wirtschaft und bürgerkriegsähnlichen Zuständen zu kämpfen. 1992 eskalierte der Streit um die Unabhängigkeitsbewegung Abchasiens. Im Krieg, der bis 1993 dauerte, starben etwa 50 000 Menschen und 200 000 wurden vertrieben. 2008 eskalierte auch der Konflikt um Südossetien, und Georgien führte während fünf Tagen Krieg gegen Russland. Seit 1993 bzw. 2008 werden die beiden Gebiete Abchasien bzw. Südossetien nicht mehr von Georgien regiert, die Territorien gehören nach internationalem Völkerrecht jedoch immer noch zum Georgischen Staatsgebiet.

Die Lage Georgiens an der ehemaligen Seidenstrasse, die vielen Handelsreisenden und fremden Herrscher hinterliessen ihre Spuren in der georgischen Kultur. Die Mehrheit der Menschen in Georgien gehört der christlich-orthodoxen Kirche Georgiens an, es gibt aber auch viele Muslime, Juden, Katholiken und Angehörige weiterer Glaubensrichtungen. Die georgische Sprache ist sehr alt und mit keiner anderen Sprache der Welt direkt verwandt, oder zumindest sind die Verwandtschaften nicht restlos geklärt. Das Georgische gehört zu der ibero-kaukasischen Sprachgruppe und ist weder mit den slawischen Sprachen noch den Turksprachen verwandt. Neben Georgisch wird auch Megrelisch, Swanisch und Lasisch gesprochen; zudem haben zahlreiche Minderheiten ihre eigenen Sprachen, bspw. Aserbaidschanisch oder Armenisch.

„Georgien ist für mich nicht nur ein Land der Gegensätze – Berge vs. Meer, Moderne vs. Tradition, reich vs. arm – sondern auch ein Land, in dem das Wort Gastfreundschaft mehr als gross geschrieben wird. Ein Land kulinarischer Entdeckungen, chaotischer Verkehrsverhältnisse und neugieriger Gesichter. Ein Land, das mich prägte und zu dem ich sicherlich noch des öfteren zurückkehren werde. Macht Euch auf nach Georgien, denn wie ein georgisches Sprichtwort besagt „Es ist besser etwas einmal zu sehen, als zehnmal darüber zu hören.“ Jennifer, 27, Pädagogikstudentin

Für weitere Informationen zu Georgien und der georgischen Musik, Literatur, Sprache etc. empfehlen wir einen Besuch auf der Website der Vereinigung der Freunde Georgiens in der Schweiz.